„Wir sind eine Entdeckergemeinschaft“

Nikolaus Harnoncourt „Wir sind eine Entdeckergemeinschaft“

Am 5. März 2016 ist Dirigent und Originalklangpionier Nikolaus Harnoncourt gestorben. Unter dem Titel „Wir sind eine Entdeckergemeinschaft“ (Residenz Verlag) wird anhand seiner Tagebucheintragungen die Entstehung des Concentus Musicus geschildert.

Herausgeberin ist seine Witwe Alice Harnoncourt.

Nikolaus Harnoncourt:

Mit 14 – 16 Jahren wurde die Musik immer wichtiger für mich. Da hatte ich die ersten Katastrophen meines gedachten Lebensweges schon hinter mir: Bildhauerei, Marionetten, Schauspielerei … Die Erholung kam immer wieder vom Cello; da konnte ich mich spalten und mit mir selbst diskutieren und die Verzweiflung besänftigen. Ich bemerkt auch – wohl sehr spät – dass es verschiedene Arten von Musik gab, dass sich die musikalische Sprache zusamme mit den Baustilen und mit der Geschichte der Lebensweise veränderte.

Cover „Wir sind eine Entdeckergemeinschaft“Nikolaus Harnoncourts erste Anstellung war als Cellist unter Karajan bei den Wiener Symphonikern. Karajan schätzte Harnoncourt sehr, doch wurde diese Harmonie durch ein angeblich von Harnoncourt dem Spiegel gegebenes Interview über ihn, das in dem Sager: „ Aber Karajan hat wenigstens Talent – zum Autofahren“ gipfelte, beendet. Karajan erklärte: „ Solange ich lebe, kommt der (Harnoncourt) nicht nach Salzburg.“ Somit wurde Harnoncourt von einer Teilnahme bei den Salzburger Festspielen ausgeschlossen.

Im Konzerthaus machte er 1954 seine erste Bekanntschaft mit Claudio Monteverdi. Er hatte tatsächlich noch nie vorher diesen Namen gehört. Harnoncourt begann nach Jahren im Orchester der Wiener Symphoniker unter dem Orchesterdienst zu leiden. Paul Schilhawsky, Rektor der Hochschule Mozarteum bot Harnoncourt die Lehrkanzel der neu eingeführten Studienrichtung „Aufführungspraxis Alter Musik“ an. Durch diese unerwartete Berufung kam Harnoncourts starke pädagogische Anlage und Lust zum Vorschein. Er wurde 1972 zum ao. Professor berufen.

Zu dieser Zeit hatte der Concentus schon etliche Konzerttourneen im Ausland absolviert und es waren schon erfolgreiche  Schallplattenaufnahmen erschienen. Harnoncourt zeichnete auch Album-Titelblätter.

Am 9. Dezember 1978 begann der erste Zyklus im Brahms-Saal des Musikvereins. Im Oktober 1979 startete der erste Concentus-Zyklus im Grossen Saal des Musikvereins. Harnoncourt war endlich dort angekommen. Die Styriarte im Jahr 1986 war eine weitere Anerkennung des Concentus. Dieses Festival wurde eigentlich Harnoncourt zu Ehren gegründet.

Mit einem Rückblick auf 30 Jahre Concentus endet der Hauptteil des Buches. Im Anhang gibt es Essays, z. B. „Die Instrumente des Concentus Musicus“ (1966). Harnoncourt war ja ein leidenschaftlicher Sammler alter Musikinstrumente. „Die Matthäuspassion in Wien unter Karl Richter“ (1969) ist eine vernichtende Kritik, sogar das Cembalo der Marke Neupert (Bach Modell – besonders scheusslicher Klang) und auch das Publikum bleiben nicht verschont. „Der Kritiker“ und „Nicht abgeschickte Briefe an Kritiker“ zeigen, dass Harnoncourt sehr wohl durch unsachliche, unseriöse und gehässige Kritiken getroffen war.

Nikolaus Harnoncourt „Wir sind eine Entdeckergemeinschaft“ · Residenz Verlag
2. Auflage Januar 2018 · Hardcover · Format:140 x 220 · 208 Seiten · 16 Seiten Bildteil
ISBN: 9783701734283 · € 24,00 · E-Book € 14,99

Fotos: Residenz Verlag